»Am meisten beeindruckt hat mich in meiner »SWR1 Leute«-Sendung der an ALS erkrankte Philipp Hanf, der trotz allem mit beeindruckender Leichtigkeit das verbleibende Leben angeht.« Diese Antwort gab der Radiomoderator Jens Wolters in einem Interview auf der Webseite seines Senders – anlässlich des 40. Geburtstags des von ihm mitmoderierten Talk-Formats.
Welch eine Freude und Ehre, dass ich bei einem solch erfahrenen Journalisten einen derart bleibenden Eindruck hinterlassen habe. Oder ist es vielleicht auch einfach ziemlich traurig? Bin ich doch überhaupt erst durch meine Krankheit in diese »Heldenrolle« gekommen. Schwierige Frage! Hängt es doch immer davon ab, aus welchem Blickwinkel ich schaue: Aus der Zeit vor meiner Erkrankung? Im Vergleich mit anderen bemerkenswerten Schicksalen? Als Betroffener mit großer Akzeptanz, der möglichst viele seiner Erfahrungen weitergeben möchte?
Letztere ist zum Glück meine überwiegende Sichtweise. Denn wie ich es auch wende: ALS gehört zu meinem Leben. Es gibt kein Hätte, Wenn und Aber. Und das heißt, ich war nicht wegen, sondern mit meiner unheilbaren Krankheit und meinem Umgang mit ihr 2022 zu Gast bei »SWR1 Leute«. Fünf Jahre nach meiner Diagnose konnte ich dort meine Lebensgeschichte erzählen. Das ist ein Privileg! Und noch privilegierter fühlt es sich an, dass mein Gespräch nun ausgewählter Bestandteil des Talkjubiläums wurde, das der Sender vom 6. Bis 10. Januar dieses Jahres feierlich beging – und dabei auch mein Gespräch erneut über den Äther gingen ließ.
Das Konzept von »SWR1 Leute« ist ganz einfach: Ein Interviewgast, ein Moderator oder eine Moderatorin, zwei Stunden Sendezeit, ein Gespräch und gute Musik. Seit 40 Jahren ist die tägliche Talk-Sendung damit einzigartig in der deutschen Radiolandschaft. Mehr als 10.000 Interview-Gäste haben bei »SWR1 Leute« bisher schon aus ihrem Leben, von ihrer Arbeit, ihren Leidenschaften und Schicksalen erzählt. Einer davon war ich. Nicht als Sportler oder Zahnarzt, sondern als ALS-kranker Mensch. Mit nachhaltiger Wirkung, wie man hören und sehen konnte …
Zweifelsfrei ist das ein Grund zur Freude – und eine Ehre. Auf so vielen Ebenen! Ich habe nicht nur eine wunderbare Bühne bekommen, meine Botschaft ein wenig in die Welt zu bringen, sondern bin auch ein Stück Erinnerung von Medienmachern. Und was für ein Glück, dass ich diese Jubiläums-Ausgabe selbst erleben durfte: meine Geschichte als Teil einer Geschichte, auch im achten Jahr meiner ALS-Diagnose. Acht von 40 Jahren »SWR1 Leute« – das ist doch beachtlich, wenn man das mal in Relation setzt.
Wie Ihr merkt: Die Ausstrahlung der Jubiläumssendung brachte mich mal wieder zum Nachdenken über meine Lebenssituation. Tag für Tag, Monat für Monat verstreichen – und längst durfte ich mich wieder einreihen in die Gesunden, die selbstverständlich sagen können, dass auch Jahre verstreichen. Niemals hätte ich das nach meiner Diagnose gedacht. Da war plötzlich eine Wand. Erst allmählich konnte ich hinter sie schauen. Angst, Zorn, Verzweiflung, Enttäuschung, Ohnmacht und Trauer wechselten sich ab mit Momenten der Zuversicht, der Schicksalsergebenheit oder auch des Ignorierens.
Sich am Leben zu freuen, die Hoffnung bewahren und sich gleichzeitig mit dem Tod zu versöhnen – das ist eine der schwierigsten Herausforderungen, wenn die Krankheit aller medizinischen Voraussicht nach unheilbar ist. Ich für mich kann sagen: Ich bin auf dem besten Weg. Und wünsche allen Schicksalsgenossen, sich diesem Widerspruch bestmöglich hinzugeben. Es ist unausweichlich.
Never give up! Be #ALSohappy
Euer Philipp